Was ist uns Musik noch Wert?
26. Juli 2022 0 Von Fabian ErnstDer Fernsehsender „Puls“ hat einen Monat lang eine Dokumentation zu der Frage „Was ist uns Musik eigentlich noch wert“ gedreht. In dieser Kolumne erläutere ich meine Meinung dazu.
In Zeiten von Spotify, Amazon Music und Co. kommt der geldliche Wert der Musik definitiv nach dem emotionalen Wert.
Aber warum ist das so? Weshalb hat sich der Markt so gewandelt?
Ich habe mir die Dokumentation angesehen und möchte heute meine Meinung dazu zusammenfassen.
Auch habe ich mir die Meinung einiger anderer Musiker eingeholt. Zum einen von total unbekannten Musikern aber auch von Künstlern, die schon etwas bekannter sind.
Erst einmal: Die Meinung anderer
Zum Beginn meiner Reportage habe ich mir erst einmal ein paar Meinungen eingeholt, nicht zuletzt von meinem ehemaligen Klassenlehrer. Der ist nämlich selbst Komponist und bei der GEMA angemeldet. Dies bringt ihm jährlich einen kleinen Betrag ein, weshalb er natürlich ein Interesse daran hat, dass Songs verkauft werden. Auch verriet er mir, dass er selbst kaum noch CD’s – wie vermutlich viele unserer Leser auch – kauft, jedoch erwirbt er MP3’s bei Amazon, natürlich in CD-Qualität.
Doch trotz dessen gibt es auch einen Familien-Spotify-Account, welchen auch mein Lehrer zwischendurch einmal nutzt, allerdings eher ungern, denn die Qualität ist einfach nicht die Gleiche wie bei einer CD.
Live is Life?!
Doch auch YouTube ist ein großer Punkt: Konzertaufnahmen aus vergangenen Zeiten oder andere Spezialitäten werden dort gesehen. Eigentlich echt praktisch und für viele andere Menschen tatsächlich auch der Hauptgrund, weshalb YouTube überhaupt geöffnet wird.
Seit der GEMA-Einigung zwischen Google und der Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte ist dies nämlich nahezu uneingeschränkt möglich.
Ich denke, dass ein Musiker heute nur noch von Musik leben kann, wenn er genügend in den Medien gepusht wird – alle anderen müssen Konzerte geben (die auch immer knapp bezahlt sind, außer man heißt Fischer oder AC/DC …). Wenn man dann bei „normalen“ Konzerten in Clubs oder ähnlichem Leute hört, die über 15 EUR Eintritt meckern, sollte man überlegen, was ein Musiker vorher ausgegeben hat, um so ein Konzert überhaupt zu geben. Wenn Musik handmade nicht so ein Spaß machen würde, wär’s das bestimmt nicht mehr – aber daher bleibt man an den Saiten – oder wird gaaaanz berühmt. Heute selten, wenn man sich die vielen „Eintagsfliegen“ anhört, die durch Casting Shows und ähnlichem Hits haben und nach ein paar Jahren wieder weg sind. Die wenigen Stars aus den 70ern zB halten sich noch bis heute – ob das noch so bei aktuellen Musikern so gilt, wage ich zu bewzeifeln. (K. Hagemann)
Eintagsfliegen und Evergreens
Und genau diese Eintagsfliegen sind die Konsequenz aus Spotify, Amazon Music, Deezer und, und, und…
Denn: Heutzutage ist es viel einfacher, Künstler zu entdecken, sich über sie zu informieren oder sich ihre Tracks anzuhören. Zuletzt fiel mir persönlich das bei AnnenMayKantereit auf. Ohne YouTube und Amazon Music hätte ich vermutlich niemals ihre Musik gehört, doch durch den Song „Pocahontas“ bin ich aufmerksam geworden. Ich habe mir auf YouTube „Oft gefragt“ angehört und mittlerweile bin ich wirklich Fan geworden. Aber vielleicht ist genau dieser Segen auch gerade der größte Fluch, denn: Man muss die Zuhörer erst einmal begeistern, was voraussetzt, dass die User einem diese Chance geben. Wie ich später noch erklären werde, ist ein riesen Problem, dass man eigentlich nur noch durchblättert.
Konzerte, Merchandise und Qualitätsstandards
Heute reicht es nicht mehr, sich einfach durch Alben und Charts zu definieren. Was ist der Platinstatus denn heute bitte noch wert? (Vielleicht auch ein gutes Thema?)
Man braucht eine Fangemeinde – und die will unterhalten werden. Man möchte sich dem Künstler verbunden zeigen, am besten durch Shirts, Hoodies oder andere Fanartikel. Oft ist dies die Haupteinnahmequelle vieler Künstler, unter anderem zum Beispiel bei Rapper „Moneyboy“.
Wie bereits mein Lehrer erwähnte, sind heute Konzerte immer noch sehr wichtig. Wir haben einen alten Jugendtreff, immer wieder finden dort Punk-Rock-Konzerte statt, zwischendurch einmal eine Kinderdisco und dann das total beliebte „Umsonst und Draußen Festival“.
Auf dem Umsonst und Draußen Festival treten Bands auf einer Bühne auf, die Menschen, die herkommen, können kostenlos zusehen, zuhören und mitfeiern – Getränke kosten natürlich Geld.
Was vielleicht wichtig zu erwähnen wäre ist, dass die Bands eigentlich nur Spaten des Rockgenres vertreten, jedoch besuchen viele Jugendliche, die eigentlich gar keinen Rock hören, dieses Festival. Man trifft sich dort, kennt sich dort. Musik verbindet die Menschen und das ohne dass nur ein Cent gezahlt wurde.
Die Meinung eines Produzenten
Auch YouTuber, Musiker und Produzent „2Bough“ hat mir seine Meinung zu dem Thema mitgeteilt. Ich fragte ihn, was er denn über die Frage, was Musik uns heute noch wert sei, denke.
Stell dir vor: Werbung ohne Musik, Hochzeit ohne Musik.Ohne Musik geht nix! (2Bough)
Musik ist extrem wichtig geworden – vielleicht gerade weil sich mittlerweile jeder die Musik leisten kann.
Mein Kollege Oliver zum Beispiel ist ein riesen Verfechter der Einstellung, Musik muss man kaufen. Nicht einmal Bootlegs oder Soundcloud-Dateien akzeptiert er. Ihm ist es wichtig, die Künstler zu unterstützen, aber auch die Qualität ist seiner Meinung nach einfach besser als die von Soundcloud etc.
Music to Go
Musik ist immer und überall, das habe ich schon mehrfach erwähnt. Nicht nur, dass sie über Spotify oder auch Amazon Music offline verfügbar ist, nein, die Mobilfunk Anbieter bieten mittlerweile sogar extra Tarife an, welche das Streaming ohne mobilen Datenverbrauch ermöglichen. Die eigene Musik ist aber eigentlich nur dann nutzbar, wenn man das Smartphone parat hat. Im Auto höre ich zum Beispiel Musik über mein Auxiliary-Kabel oder meinem USB Stick. Ein CD-Laufwerk ist gar nicht vorhanden, dementsprechend habe ich gar nicht die Möglichkeit, CD’s im Auto zuhören, obwohl ich genug CD’s besitze. Am Computer habe ich einfach gar nicht die Motivation, CD’s zu hören. Generell sind Streaming und YouTube deutlich bequemer.
Eintöniger Musikgeschmack bestimmt das Streaming
Viele Menschen hören kaum noch durchgängig einen Interpreten. Wenn ich auf Amazon Music meine Playlists höre, dann habe ich viele verschiedene Interpreten in der Liste, ich beschränke mich kaum auf einen einzigen Künstler. Oft höre ich ein Lied nur ein paar Sekunden lang und gehe dann weiter, bis mir ein Lied wirklich gefällt. Man lässt sich kaum auf neues ein, probiert viel weniger aus. Ein bisschen kann man das vergleichen mit dem „Zapping“ beim Fernseher. Man hat eigentlich seine Standard-Sender, welche man schaut, wirklich neue Sender guckt man kaum.
Genauso ergeht es dem Streaming. Man hört eine Playlist, schaut, was einem gefällt. Entscheidend sind dabei eigentlich nur die ersten paar Sekunden – gefallen diese einem nicht, kommt der nächste Track. Oft bleibt man aber doch wieder bei dem immer gleich klingendem Sound hängen.
Dass die Musikbranche damit arbeitet, haben wir ja schon in einem anderen Artikel gezeigt, doch wir sind nun einmal die Grundlage dieses Systems und wir ermöglichen dieses System.
Wo bleibt das Geld?
Das Geld, welches von Spotify und den anderen Streaming-Plattformen ausgeschüttet wird (laut Spotify sind dies 70% der Einnahmen), geht größtenteils an die Labels. Diese sind dann dafür verantwortlich, einen entsprechenden Betrag an den Künstler auszuzahlen. Wie viel das ist, ist meistens im Vertrag geregelt und von einer Spanne zwischen einem und neunundneunzig Prozent ist alles möglich.
Fazit des Ganzen
Das Fazit wäre für mich, dass der emotionale Wert der Musik immer weiter steigt und auch erhalten bleibt. Lediglich der wirtschaftliche Wert hat sich verändert, denn Musik ist vermutlich für Werbung und Film unbezahlbar. Stelle man sich doch nur einmal Filme wie Fluch der Karibik, Harry Potter oder auch Serien wie Hotel Zack & Cody, Hannah Monatana oder andere Disney Sendungen ohne Musik vor.
Ich denke, jedes Kind der 90er kennt den Bob der Baumeister Jingle noch – und so etwas bleibt.
Nicht nur der Endverbraucher profitiert von dem Streamingprinzip, auch Newcomer haben größere Chancen gehört zu werden. Große, bekannte Musiker werden natürlich Verluste machen, denn wenn allein ein Album schon 10€ kostet, dann lohnt sich das Streaming einfach mehr. Obwohl man die Möglichkeit hat, viel Neues zu entdecken, lässt man sich wenig drauf ein. Na klar, wenn der Sound stimmt, dann bleibt man, aber oft kommt das leider nicht vor.
Früher waren es die Schallplatten, dann kamen die CD’s – man zahlte eine relativ hohe Summe (im Vergleich zu heute) für die Medien, natürlich überlegte man sich dann mehrfach, welche CD man nun kauft, denn wenn mir nur ein Song gefällt, brauche ich die CD nicht kaufen. Gute alternativen zum Streaming sind meiner Meinung nach Sampler-CD’s wie The Dome*, Bravo Hits* oder auch Kontor House of House*. Hier sind eigentlich immer die aktuellsten Tracks zu finden – und dennoch ist Streaming einfach einfacher.
Der Puls-Beitrag
Zum Schluss möchte ich euch noch einmal den Beitrag von Puls ans Herz legen. Der Moderator legt anhand vieler Beispiele und mithilfe einiger Künstler, wie zum Beispiel MoneyBoy, sehr detailliert dar, was Musik uns noch wert ist. Er wagt ein Experiment mit einem Straßenkünstler und lässt sich auf dem Konzert der Band „Frittenbude“ (bekannt durch „1000 Jahren“) einfach mal auf neue Musik ein. Seine Reaktionen filmt er und gibt am Ende ein gutes Fazit ab. Das Video geht um die 30 Minuten, diese 30 Minuten lohnen sich aber für jeden Musikfan.